Ahlener Kreuzigungsgruppe zurück am historischen Standort

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Die Stadt Ahlen hat ein Stück seiner Geschichte bewahrt und zugleich neu erlebbar gemacht: Die Kreuzigungsgruppe, die seit 1901 das Bild am ehemaligen Kamptor prägt, erstrahlt nach aufwendiger Restaurierung in neuem Glanz. Am Donnerstag stellte die Stadt Abgüsse der drei Originalfiguren, die im neugotischen Stil geschaffen wurden, offiziell vor. „Wir stehen hier nicht nur vor Kunstwerken, sondern vor einem Stück Herz unserer Stadt“, betonte die Erste Beigeordnete und Kulturdezernentin Stephanie Kosbab bei der Rückkehr der Figuren. Die drei Skulpturen seien nicht nur religiöse Symbole, sondern auch stille Zeugen der Ahlener Stadtgeschichte.

Die Originale haben in der Trauerhalle des Westfriedhofs einen sicheren Platz gefunden, geschützt vor Wind und Wetter, aber weiterhin würdevoll für die Öffentlichkeit zugänglich. Am historischen Standort bleibt das vertraute Bild dennoch erhalten: Hochwertige Abgüsse wurden auf dem originalen Postament und unter dem originalen Kreuz aufgestellt. So, erklärte Kosbab, sei es gelungen, Denkmalschutz mit der Bewahrung des gewohnten Stadtbildes zu verbinden.

Insgesamt 42.000 Euro kostete das Projekt. Möglich wurde es durch eine Förderung des Landes NRW in Höhe von 21.000 Euro aus dem „Heimat-Fonds“, Spenden der Bürgerschaft in Höhe von 11.000 Euro sowie 10.000 Euro aus städtischen Mitteln. Besonders dankte Kosbab der Annelie-Leifeld-Stiftung, dem Rotary Club Ahlen, den Stadtwerken Ahlen sowie zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern, die mit ihren Beiträgen die Restaurierung ermöglichten. Namentlich hob sie das Engagement von Bernd Schulze Beerhorst hervor, dessen persönlicher Einsatz als ehemaliger ehrenamtlicher Denkmalbeauftragter entscheidend zur Spendenbereitschaft beigetragen habe.

Ein weiterer Dank galt der Familie Schürmann/Bunne aus der benachbarten Bürgermeistervilla, die die Arbeit der Restauratoren tatkräftig mit Strom und Wasser unterstützte, sowie der Unteren Denkmalbehörde und städtischen Denkmalpflegerin Nicole Wittkemper-Peilert, die das Projekt maßgeblich begleitet habe. Für Kosbab ist die Restaurierung weit mehr als ein Bauprojekt: „Es ist ein Versprechen, dass wir unsere Geschichte wertschätzen und bewahren. Für uns, für unsere Kinder und für alle, die nach uns kommen.“

Zum Abschluss sprach Pfarrer Willi Stroband den Segen für die Kreuzigungsgruppe.

Sachkundige Führung
Mehr über die Kreuzigungsgruppe erfahren können Interessierte am Tag des offenen Denkmals (Sonntag, 14. September). Um 11 und 15 Uhr beginnen an den Skulpturen Führungen über den Westfriedhof, zu denen Bernd Schulze Beerhorst einlädt. Besichtigt werden dabei auch die Originale in der Trauerhalle.

Hintergrund:
Im Jahr 1901 wurde an der Kampstraße eine Kreuzigungsgruppe als aufwendige Arbeit im Stil der Neugotik aufgestellt. Sie ist das Zeugnis für eines der Kreuze, die früher einen Teil der Segnungsstationen der Fronleichnamsprozession gebildet haben. In einem Visitationsbericht von 1656 ist belegt, dass diese Prozession entlang der Stadtmauer verlief und die fünf Stadttore jeweils durch ein Kreuz gekennzeichnet waren. Von den Kreuzen der damaligen Zeit – man schätzt diese aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges - ist keines mehr vorhanden, aber die Orte der Stadttore sind noch heute als christliche Segensstationen markiert. Die Tradition zur Fronleichnamsprozession mit den Segensstationen ist der älteren katholischen Bevölkerung noch gut bekannt. Hierzu wurde die Kreuzigungsgruppe festlich geschmückt und die Gemeinde machte dort Halt, um gemeinsam zu beten.

Der Ort der inzwischen über 120 Jahre alten Kreuzigungsgruppe an der Kampstraße im Übergang zur Parkstraße markiert heute sowohl den Eingang in den Stadtpark - seinerzeit auch als „Kampenwiese“ bekannt -, als auch den unscheinbaren Fußweg in die sogenannte Totengasse. Die Fläche des heutigen Stadtparks gehörte im Mittelalter zu dem breit über Gräben und Wälle aufgefächerten Gewässer der Werse und damit zur schützenden Einfriedung der Stadt. Hier ist nicht zuletzt die 1924-1926 errichtete Bürgermeistervilla zu erwähnen, die repräsentativ hier errichtet wurde mit Kontakt zum Park und in direkter Umgebung zur Kreuzigungsgruppe. In jüngster Zeit wurde der Stadtpark neugestaltet und wird seit dieser Zeit intensiv von der Ahlener Bevölkerung genutzt, zuletzt auch für einen großen Fronleichnamsgottesdienst unter freiem Himmel. Es wäre hier eine schöne Tradition, auch die Kreuzigungsgruppe wieder mit einzubeziehen.

Die Totengasse deutet mit ihrem Namen auf den wohl bereits vom 14. Jahrhundert bis Anfang des 19. Jahrhunderts genutzten Friedhof hin, der außerhalb der Stadtmauer auf dem Wall angelegt war. Die gesamte Örtlichkeit ist gleichzeitig auch Erinnerung an das fünfte Stadttor, auch Kamptor genannt, von dem die mächtigen Fundamente noch im Straßenraum zu vermuten sind. Dieses Stadttor wurde 1776 abgerissen als Stadtmauern, Stadttore sowie Wälle und Gräben zur Verteidigung der Stadt überflüssig geworden waren und nach und nach geschliffen wurden. Die nahegelegenen Straßen Nordenmauer und Wallstraße deuten noch heute auf die mittelalterliche Ausdehnung der Stadt hin.

Die dreiteilige Figurengruppe mit Postament und Kreuz aus Baumberger Kalksandstein des Ahlener Bildhauers Anton Wesselmann wurde in der Vergangenheit mehrfach restauriert. Die drei originalen Figuren sind jetzt fachmännisch und nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen durch Fa. Lehmkuhl/Hartmann von Rüden restauriert worden. Die Figuren sind auch nach der Restaurierung in einem äußerst fragilen Zustand, so dass sie auf keinen Fall der Witterung ausgesetzt werden dürfen und nicht am originalen Standort wieder aufgestellt werden können. Sie sind kein weiteres Mal restaurierungsfähig. Vor diesem Hintergrund und um den originalen Standort zu bewahren, kam nur ein Abguss der drei Figuren in Frage. Damit bleibt die Geschichte der Stadt und die damit verbundenen christlichen Traditionen lebendig.
 


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